Die Evolution der Geschmacksknospen – Süße im Aufblühen

Naschkatzen lieben Süßes und bekommen von Kuchen, Keksen und Co. einfach nicht genug. Aber warum haben die Menschen eine solche Süßneigung und wie kann man sich und seinen Geschmack aus dieser Zuckerfalle locken? Wir haben dir im heutigen Blogbeitrag ein paar spannende Informationen dazu zusammengefasst!

Dattel zum Süßen

Wie süß!

Die Entwicklung der Süßaffinität


Die bekannte süße Zunge“ ist nicht nur eine eingebürgerte Redewendung. Tatsächlich ist uns die Vorliebe für Süßes bereits angeboren und damit in gewisser Form durch die Natur gegeben. Denn nicht nur die Muttermilch hat einen süßlichen Geschmack, sondern bereits das Fruchtwasser, von welchem sich der Embryo in der Gebärmutter ernährt. Damit wird Süßes bereits von klein auf mit etwas Positivem verbunden. Interessant hierbei ist zudem, dass Kinder oftmals eine viel geringere Süßwahrnehmung haben und meist die besonders zuckerhaltige Alternative bevorzugen. Wie stark hier Korrelationen vorliegen, ist allerdings nicht ganz eindeutig. Spannend ist dennoch insbesondere die sich verändernde Anzahl und Dichte der Geschmacksknospen: sind es bei Säuglingen noch rund 10.000, besitzt ein Erwachsener im mittleren Alter nur noch circa 5.000 Geschmacksknospen. Im höheren Alter kann die Anzahl sogar bis auf 900 sinken. Besonders bestimmte Geschmacksempfindungen, wie beispielsweise für Salz, lassen dabei immer weiter nach. Die Wahrnehmung der verschiedenen Geschmäcker ist somit ein fortlaufender Prozess, sodass eine zunehmende Gewöhnung an „bitter“ und „sauer“ stattfindet: Der schwarze Kaffee muss anfangs zunächst mit Zucker und Milch „gestreckt“ werden, bis er irgendwann auch in der puren Version gemocht wird.

Überbleibsel unserer Vorfahren

Wissenschaftler vermuten in der Süßneigung der Menschheit zudem eine evolutionsbedingte Ursache. „Süß“ konnte früher als natürlicher Sicherheitsparameter verwendet werden: was süß schmeckte, war genießbar und konnte ohne Bedenken gegessen werden. Es war zudem oftmals ein Zeichen für besonders energiereiche Nahrung mit hohem Zucker- und Kohlenhydratanteil und somit perfekt geeignet für Jagd oder Flucht – die Überlebenschancen stiegen. Der saure oder bittere Geschmack im Gegensatz dazu, ist in der Natur oftmals ein Hinweis für giftige und verdorbene Lebensmittel. So konnte besonders einfach Toxisches oder Unreifes umgangen werden.


Heutzutage ist diese einseitige Einordnung allerdings nicht mehr ganz zutreffend. Denn Lebensmitteln mit den Geschmacksrichtungen „bitter“ und „sauer“ werden teils sehr positive Eigenschaften zugeschrieben, die gesundheitliche Vorteile mit sich bringen können. Besonders die berüchtigten Bitterstoffe, welche beispielsweise in Gemüsesorten, wie Radicchio oder Artischocken, enthalten sind, glänzen mit einigen Vorzügen. Sie fördern die Verdauung, stärken das Immunsystem und regen den Fettstoffwechsel an. Kurzum: Sie sind der Inbegriff einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung. 


Mit unserem Wissen aus der modernen Welt können und sollten wir somit ebenfalls bittere und saure Lebensmittelkomponenten in unseren Speiseplan integrieren, um uns ausreichend mit allen wichtigen Vitaminen und Nährstoffen zu versorgen. Dass in der freien Natur und bei unserem Geschmacksempfinden die süße Richtung dennoch übertrumpft, ist damit aber vermutlich doch ein Überbleibsel aus der Evolution. Wusstest du, dass deshalb sogar Obst und Gemüse absichtlich immer süßer gezüchtet werden?

Datteln als alternatives Süßungsmittel

Zu viel Zucker

Aber was passiert bei Zuckerkonsum wirklich in unserem Körper?


Der teils verwendete Begriff „Zuckersucht“ ist nicht wissenschaftlich fundiert und mehr umgangssprachlich entstanden. Denn Zucker hat, besonders im Vergleich zu anderen Nährstoffgruppen, eine ganz spezielle Wirkung auf unseren Körper. Damit gehört er zwar nicht zu dem doch extremeren Begriff „Suchtmittel“, die Beschreibung ist dennoch meist gar nicht so weit hergeholt. Zucker, bzw. der süße Geschmack, aktiviert das Belohnungssystem des Gehirns und sorgt dafür, dass mehr Dopamin (umgangssprachlich als Glückshormon bezeichnet) ausgeschüttet wird.


Dopamin ist ein körpereigener Botenstoff und fungiert als sogenannter Neurotransmitter zwischen Nervenzellen. Insbesondere Funktionen wie die Übertragung von Gefühlen oder eine stabile Wahrnehmung können damit ermöglicht werden. Dopamin hat daher besonders Einfluss auf unsere Stimmung und unser Wohlbefinden, aber auch auf die Konzentration und körperliche Aktivität. Gerade in der heutigen Zeit, geprägt von einer ständigen Reizüberflutung, wird oft sehr viel Dopamin ausgeschüttet. Nicht nur der direkte Konsum von Essen, Alkohol oder Drogen haben nämlich Einfluss auf unseren Dopamin-Haushalt, sondern auch Sport, Körperkontakt, Handy-Benachrichtigungen und vieles mehr… Um einem möglichen Dopaminüberschuss entgegenzuwirken, sind eine gesunde Balance und gezielte Pausen somit essenziell.


Mit diesem Wissen über Dopamin und dessen Wirkung, ist es wohl naheliegend, dass ein hoher Zuckerkonsum einen starken Einfluss auf unser Verhalten haben kann. Verschiedene Forschungsversuche haben dabei ebenfalls gezeigt, dass bei einem höheren Zuckerkonsum, das Verlangen nach Zucker immer weiter ansteigt und für eine Dopaminausschüttung größere Mengen gebraucht werden. Bei Vorenthalt von Zucker traten bei den Experimenten hingegen meist entzugsähnliche Symptome auf. Der Verzehr von Süßem kann somit unser Verhalten beeinflussen und dafür sorgen, dass unser Verlangen nach diesem wächst.


Dieses Phänomen hat sich auch die Lebensmittelindustrie zu Nutze gemacht, weshalb wir heutzutage Zuckerzusätze in verschiedensten Ausführungen in fast allen verarbeiteten Produkten finden können: von Dextrose, Fruktose-Sirup und Maltodextrin bis hin zu Gerstenmalz ist alles dabei. Die versteckten Zuckerfallen sind dabei weit verbreitet und Zutatenlisten lesen quasi ein „Muss“, wenn man diese bewusst umgehen möchte. Wie eingangs bereits erwähnt: Sogar Obst und Gemüse werden heutzutage die Bitteraromen rausgezüchtet, damit diese einen süßen Geschmack bekommen.



Aber wie kommt man nun aus dieser Zuckerspirale raus? Können sich die Geschmacksknospen „entwöhnen“?


Um diese Frage beantworten zu können, ist es zunächst wichtig zu wissen, wie unsere Geschmackswahrnehmung funktioniert. Bei der Nahrungsaufnahme ist nämlich nicht nur unser Geschmack beteiligt, sondern auch die anderen Sinne. Schon bei der Zubereitung des Essens, dem Sehen oder Fühlen der Komponenten werden Reize ausgelöst, die unseren Körper bereits in den aufnahmefähigen Zustand versetzen. Bei der eigentlichen Nahrungsaufnahme ordnet unsere Zunge dann die bekannten Geschmacksrichtungen „süß, sauer, bitter, salzig und umami“ zu. Komplexe Aromen wie beispielsweise diese von Himbeeren oder Zimt, können aber erst im Zusammenspiel mit unserem Geruchszentrum erkannt werden. Dazu nehmen wir nicht nur den Duft eines Nahrungsmittels durch die Nase auf dem Weg zum Mund wahr, sondern auch insbesondere während des Zerkleinerungsprozesses. Beim Kauen werden die speziellen Aromen freigesetzt und gelangen durch den Rachen von hinten zu unseren Riechzellen. Man spricht von der sogenannten retronasalen Wahrnehmung, welche dafür sorgt über die fünf Geschmäcker hinaus schmecken zu können.


Unsere Geschmacksknospen arbeiten somit als eingespieltes Team und werden von unserer aufgenommenen Nahrung stark beeinflusst. Daher ist das Verlangen nach der gezuckerten Limonade oder der extra Portion Zucker im Kaffee – neben der Zucker Aversion der Menschen – meist pure Gewohnheit von Geschmacksknospen und Geist. Die Geschmacksknospen gewöhnen sich an einen bestimmten Grad von Süße, wodurch die Wahrnehmung verschiedener Lebensmittel kategorisiert wird. Mit ein paar einfachen Tipps und Tricks ist eine Schritt-für-Schritt Entwöhnung, beziehungsweise Umgewöhnung, aber definitiv nicht unmöglich und gesundheitliche Vorteile sind garantiert!


Reduktion, bzw. zeitweiser Verzicht auf bestimmte Geschmäcker und Lebensmittel kann helfen, die ganzen Aromen wieder besser wahrnehmen und schmecken zu können. Dabei handelt es sich zwar nicht um eine Umgewöhnung der Geschmackszellen, dennoch ist eine intensivere Wahrnehmung meist das Resultat. Die sonst verspeisten „normalen“ Süßigkeiten schmecken nach einer Weile teils zu süß und künstlich, sodass die natürliche Süße aus beispielsweise Früchten präferiert wird.


Mit der Reduktion von zuckerhaltigen Speisen und Getränken und damit mehr natürlicher Vielfalt auf dem Teller, kann somit der Geschmack mit der Zeit weiter „trainiert“ werden. Durch den bewussten Konsum von unverarbeiteten Lebensmitteln wird das Empfinden der individuelle Süßintensität geschärft und das Verlangen nach stark gezuckerten Lebensmitteln reduziert. Die Geschmacksknospen passen sich der neuen Ernährungsweise an, sodass selbst eine Karotte oder Paprika süßlich schmecken und eine Himbeere bereits eine Geschmacksexplosion auslösen kann.


Wichtig zu erwähnen ist hierbei, dass wie immer eine gute Balance das A und O für eine gesunde Ernährung ist. Die Menge macht bekanntlich das Gift und gelegentliche Ausnahmen stellen kein Problem dar. Es geht hierbei besonders um den bewussten Konsum, das Erkennen von den versteckten Zuckerquellen und den Versuch, die eigenen Geschmacksknospen wieder zu schärfen. Außerdem lassen sich auch süße Rezepte wunderbar mit gezielt eingesetzten, natürlichen Süßungsmitteln wie Datteln, Bananen oder Äpfeln zubereiten – ein Verzicht ist damit keinesfalls notwendig. Auf unserem Blog findest du dazu viele Inspirationen, die dich bei einem zuckerreduzierten Lebensstil unterstützen.

Somit ganz viel Spaß beim genauen Hinschmecken und Trainieren deiner eingeschlafenen Geschmacksknospen!

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